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Auf dieser Seite werden einige Überlegungen zur wissenschaftlichen Methodik angestellt. Als Beispiel kann dazu die Informatik dienen: Ist sie eine Ingenieurwissenschaft oder eine Formalwissenschaft? Daraus ergeben sich vor allem zwei unterschiedliche Methodenansätze: empirische Methoden und formale Methoden. Auf andere Methoden, wie z.B. die historischen und hermeneutischen1) Verfahren der Geisteswissenschaften und denen der Sozialwissenschaften wird hier nicht näher eingegangen. |
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Formale Methoden beziehen sich nicht unmittelbar auf die Erfahrungswirklichkeit und betrachten nicht den Einzelfall, sondern allgemeine Beziehungen zwischen den Sachverhalten. Dem entspricht, dass anstelle umgangssprachlicher Bezeichnungen Symbole benutzt werden. An die Stelle von Personen, Gegenständen, Eigenschaften und Beziehungen treten Variablen. Die Feststellung Andre ist Belgier wird beschrieben durch , d.h. Andre ist ein Element, dass zur Klasse der Belgier gehört. Mit Hilfe einer formalen Sprache könne dann nach festen Regeln Zusammenhänge analysiert und Schlussfolgerungen gezogen werden. Die Geltung dieser Sätzen, die durch formale Methoden gewonnen werden beruhen nicht auf empirischen Gründen sondern ergeben sich rein formal aus der Beachtung der Regeln. Sowohl syllogistische Schlüsse (siehe Seite 5.2.3) sowie mathematische Beweise sind Beispiele für diese Verfahren. |
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In der Informatik kommen viele formale Methoden zum Einsatz: |
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Gegen die formalen Methoden der Informatik wird manchmal eingewandt, dass sie zu abstrakt und zu wenig an den konkreten Problemen orientiert seien. Zum Beispiel besagt die erfolgreiche formale Programmverifikation nur, dass dieses Programm den formalen Anforderungen entspricht, nicht aber ob es den Anforderungen im Sinne der Anwendung adäquat genügt. |
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Die axiomatische Methode | |||||||||||
Formale Systeme sind eine weiterentwickelte Form des axiomatischen Methode, die durch Aristoteles philosophisch begründet wurde. Der Grundgedanke ist, dass wissenschaftliche Theorien zu rechtfertigen sind und man sie dazu aus Axiomen ableiten kann. Doch wie kommt man zu diesen Axiomen und wie gesichert sind diese? Aristoteles meint, dass diese wahr und unmittelbar einleuchtend sein müssen. Bacon dagegen geht davon aus, dass Axiome induktive Verallgemeinerungen darstellen. Doch beide Ansichten sind problematisch und z.B. auf die Aussagenlogik nicht anwendbar. Beispielsweise ergeben diese Annahmen in Bezug auf das Folgende Axiom für das rein syntaktische Aussagenkalkül keinen Sinn: |
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Denn es kann auch durch das Folgende ersetzt werden: Was bedeutet, dass z.B. diese Axiome nicht eindeutig feststehen, sondern eine gewissen Willkür unterliegen. Dies widerspricht der klassischen Auffassung. |
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Nach formalistischer Auffassung kann man Axiome frei wählen, solange sie widerspruchsfrei sind. Meistens werden die Axiome jedoch dadurch gewonnen, dass man die Sätze eines Sachgebietes logisch analysiert und komplexe Aussagen auf einfachere zurückführt, sowie die Sätze und Begriffe auf ihre logische Abhängigkeit hin überprüft. Zum Schluss erhält man ein Geflecht elementarer Begriffe und Sätze aus denen sich alle zutreffenden Sätze dieses Sachgebietes ableiten lassen. Die Ergebnisse einer solchen Analyse lassen zum Schluss jedoch häufig mehrere Möglichkeiten für die Definition der elementaren Begriffe zu. So muss man bei der Aussagenlogik z.B. festlegen welche der Verknüpfungen zwischen Aussagen elementar sein sollen: «nicht» und «und» oder «nicht» und «wenn – dann» oder «weder . . . noch», usw. |
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Ein weiteres Problem stellt die geforderte Widerspruchsfreiheit dar. Der deutsche Mathematiker David Hilbert (1862 – 1943) hat um 1900 herausgefunden, dass selbst die Mengenlehre und die Arithmetik Wiedersprüche enthielten. Er schlug deshalb vor, die Widerspruchsfreiheit komplexer Systeme auf die Widerspruchsfreiheit der Theorie der ganzen Zahlen zurückzuführen. Doch der Mathematiker Kurt Gödel (1906 – 1978) konnte 1931 zeigen, dass dieser Weg nicht gangbar ist und selbst ein formales System der ganzen Zahlen, wie die Arithmetik mit den Peano-Axiomen, nicht aus sich selbst heraus auf Widerspruchsfreiheit geprüft werden kann. Es setzt vielmehr umfassendere Systeme voraus, deren Wiederspruchsfreiheit erst recht fraglich sind. |
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Empirische Methoden | |||||||||||
Empirisch bedeutet „Erfahrung“, d.h. diese Methoden stehen im Gegensatz zu den abstrakten formalen Methoden. Sie beziehen sich also auf Erfahrungen die wir mit der uns umgebenden Wirklichkeit machen. Wobei wissenschaftliche Erfahrung bedeutet, dass diese unter kontrollierten Bedingungen – durch Experimente und Induktion – gewonnen werden; so wie dies bereits unter 5.2.4 beschrieben wurde. Wissenschaftliche Experimente genießen eine hohe Wertschätzung, weil sie überprüfbar und wiederholbar sind. Die empirischen Methoden haben, wie auch die formalen Methoden, den Zweck unsere Erkenntnisse zu erweitern und zur Prüfung wissenschaftlicher Sätze und Theorien beizutragen. Problematisch ist hierbei, dass sich empirische Aussagen immer nur auf eine begrenzte Anzahl von Experimenten und Erfahrungen stützen können. Wissenschaftliche Sätze (Gesetzmäßigkeiten) aber allgemein gelten sollen. Daraus folgt, dass ein Satz immer nur solange Gültigkeit hat, wie es keine neuen Erfahrungen gibt die ihm widersprechen. So mussten physikalische Gesetze immer wieder auf den Prüfstand und erweitert werden. Meistens stellte sich heraus, dass die vorangegangene Gesetzmäßigkeit als Sonderfall oder Grenzfall in den neuen erweiterten Gesetzen enthalten ist. Ein Beispiel dafür liefert die relativistische Mechanik: solange die Geschwindigkeiten deutlich unterhalb der Lichtgeschwindigkeit sind gelten die alten Gesetze der Mechanik. |
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Ein weiteres Beispiel liefert die Informatik: Zur Prüfung der funktionalen Korrektheit eines Programms kann man formale Methoden anwenden. Dies ist jedoch recht schwierig oder aufwendig sowie manchmal auch unmöglich, weil dies die verwendete Programmiersprache nicht zulässt. Deshalb werden Programme häufig empirisch geprüft: Man verwendet möglichst gut ausgewählte Eingabewerte und schließt aus den Ergebnissen auf das Verhalten des Programms im Allgemeinen. |
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Seit Francis Bacon sind viele Philosophen und Naturwissenschaftler davon überzeugt, dass empirische Methoden grundlegend für die Wissenschaft sind und das der induktive Schluss von einer beschränkten Anzahl untersuchter Fälle auf alle Fälle der gleichen Art zulässig ist, wenn man bestimmte Regeln beachtet. Doch schon der schottische Philosoph David Hume3) (1711 – 1776) hat darauf hingewiesen, dass uns nichts berechtigt, aus bisherigen Erfahrungen auf weitere Fälle zu schließen. Wir tun dies nur, weil wir von der Kontinuität und Regelmäßigkeit der Vorgänge in unserer Welt überzeugt sind. Logisch betrachtet beruht dieser Schluss selbst auf einem induktiven Schluss. Dies bedeutet, dass hier ein methodisch unzulässiger Zirkelschluss vorliegt. Deshalb geht man heute davon aus, dass induktive Schlüsse dieser Art keine logische Geltung beanspruchen können und keine Beweise darstellen. Was die Wissenschaft aber nicht davon abhalten wird auf diesem Wege weiter zu forschen. Man sollte sich jedoch immer daran Erinnern, dass die Ergebnisse der Forschung nur einen weiteren Schritt auf dem Wege der Erkenntnis sind und keinen absoluten Wahrheitsgehalt beanspruchen dürfen. |
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1)
hermeneutisch: einen Text o.Ä. erklärend, auslegend |